... Anders sah es aus, als er sich in Moskau als Sperling wiederfand, in einem Spatzentraum, der ihn hin und wieder ereilte. Bitterkalt, bei Minus 20 Grad, saß er auE einem Gartenzaun und wartete darauf, dass jemand etwas aus dem Fenster warf.
AbEall, den Rest eines Burgers zum Beispiel. An der Ampel rasch aus dem Fenster geworfen. Auch an der Tankstelle gegenüber. Dann galt sein Einsatz. Unter Lebensgefahr flog er den Teil des Überfusses an, der es ihm vielleicht ermöglichte zu überleben.
Links und rechts seines Burger-Restes sprang er hin und her, um ein Stück des billigen Weißbrots zu picken. Schlechtes Mehl, ohne NährstoEEe und Mineralien East, ihn aber dennoch rettend. Links und rechts von ihm Autoreifen, auch die von Lastwagen, mal quietschend, mal als leiser Tod. Immer wieder flog er auf und zurück zu seinem Gartenzaun.
Wenn er Pech hatte, fuhr dann ein dicker ReiEen über den Brotrest. Fuhr ihn tief in Eis und Schnee ein, so dass er ihn nicht mehr mit seinem Schnabel erreichen konnte. Oder der Reifen konnte auch über ihn selbst hinwegfahren, ihn zerquetschen, vielleicht einen Flügel verletzen oder ein Beinchen, was auch seinen sicheren Tod bedeuten würde. Langsames, qualvolles Verhungern.
Manchmal sah er einen seiner Flügel blutend, doch es war nur das Ketchup eines Burgers, und er atmete auf. Noch flog er zu dem Brotstück, das sein Überleben bedeutete, mit ein wenig roter Soße am Rand, ein Stück aus der kulinarischen Hölle, das er sonst nicht anfassen würde. Doch als Spatz in Moskau im Winter kämpfte er um jede Krume, jedes noch so kleine Krümelchen. Neben sich die Räder der Autos, den Tod auf Rädern. Unter sich die Kälte. Über und neben sich. Und der Winter wäre noch lang. Er musste da raus, weg aus dieser Existenz. Und warum gerade in Moskau, wo er niemals zuvor war und wo er auch nie hinwollte? ... (Aus: Der Idiot 2.0)