Leseprobe „Kleine Songs zwischen Freunden“

von Arno Fischer

 

 

 

John und Arno

 

  

 

Da hockten wir, in einer lausigen Gaststätte in Marburg, John Fischer und ich, Arno Fischer. Von seinem Schnitzel nahm er zwei Bissen, auf denen er langsam herumkaute. Ich stocherte in meinem Salade Niçoise herum und war auch nicht gerade hungrig. John war trotz des Todes seiner Frau zur Sommerakademie gekommen, bei der er seit einigen Jahren eine Klasse für freies Malen leitete. Ich arbeitete damals, 1996, im Kulturamt. Birgit, eine Mitarbeiterin, hatte angerufen und gefragt, ob ich mich um John kümmern könne. Er würde seit mehreren Tagen nicht schlafen, wie ihr sein Gastvater Gerd berichtet habe.

 

Ich wusste nicht warum, aber John fasste sofort Vertrauen zu mir. Ich saß vor einem eher kleinen Mann mit Löwenmähne und absurd schlechten Zähnen. Er begann zu erzählen und ich konnte noch nicht einschätzen, welche Ehre das war, denn unsere Freundschaft, die sich in den Jahren danach entwickelte, zeigte zumeist einen sehr wortkargen John. Er liebte die kurzen knappen Sätze, hatte überhaupt etwas Ruppiges, Cowboyhaftes. Nun aber erzählte er wie ein Rhapsode. Nicht von Frances, seiner Frau, sondern von der Flucht aus Belgien.

 

1940. Man hatte verharrt, bis es fast zu spät war. Die Deutschen rückten an, Arnold, der Vater, Arno genannt, wollte sein geliebtes Antwerpen nicht verlassen, die Mutter packte kurzerhand ihre Kleider und die der Kinder ins Auto, fahren konnte sie nicht, aber das würde sie schon lernen und wenn er, der Goldschmied, nicht mitwolle, dann könne er dableiben.

 

„Arno sighed, went into the car, put himself behind the wheel. Mother came with a casket und so we started. But Arno was a broken man, he had tears in his eyes and couldn't see anything. So Sabine took the wheel ... hey boy, what's going on? Why are you staring at me?“

 

Tatsächlich starrte ich ihn an. Das konnte doch nicht wahr sein. „Wie hießen deine Eltern?“, fragte ich unwillkürlich auf Deutsch. Bevor ich mich korrigieren und meine Frage übersetzen konnte, antwortete er schon: „Ihre Näme waren Arno und Sebin.“

 

(…)