Schon in der Einführung in Wiesbadens „russische“ Vergangenheit, lässt die Autorin ihren ansprechenden Erzählstil und ihren feinen Humor erkennen – bei einem
Buch über eine Nekropole keine Selbstverständlichkeit. Im Weiteren widmet sie sich im ersten Teil des Buches der Entstehungsgeschichte der Russisch-orthodoxen Kirche der heiligen
Elisabeth – der sog. „Griechischen Kapelle“ – in Wiesbaden auf dem Neroberg, die Herzog Adolf von Nassau als Grabstätte für seine früh verstorbene Gemahlin, Großfürstin Elisaweta
Michailowna, Nichte des Zaren Nikolaus I.,errichten ließ. Dabei geht die Autorin auch auf die Lebensgeschichte Elisaweta Michailownas, ihre Kindheit und Jugend in St. Petersburg, das
Zustandekommen der Ehe, ihr kurzes Wirken in Wiesbaden und schließlich auf ihre Krankheit und ihren Tod ein. Interessante Details erfahren die Leser auch über die Baugeschichte der
Kirche und die Arbeit des nassauischen Baumeisters Philipp Hoffmann.
Der zweite Teil des Buches beschäftigt sich mit dem russisch-orthodoxen Friedhof, der ein Jahr nach der Einweihung der Kirche, im August 1856, in ihrer
unmittelbaren Nähe auf dem Neroberg angelegt wurde und den dort beigesetzten Persönlichkeiten. Hier wurden sowohl Angehörige des russisch-orthodoxen Glaubens bestattet, die in
Wiesbaden gestorben waren, als auch aus allen Teilen Deutschlands, Frankreichs und der Schweiz, wo es zu dem damaligen Zeitpunkt noch keine eigenen orthodoxen Friedhöfe gab. Hier
ruhen daher mehrere Generationen im Ausland verstorbener Russen, unter ihnen viele, die im russischen Geistesleben, in der russischen Geschichte und der russischen Kirche ihre Spuren
hinterlassen haben und zugleich für deutsch-russische Beziehungen stehen. Es handelt sich um Angehörige des Hochadels wie Fürst Georg Jurijeweskij und die Gräfin Olga Merenberg, geb.
Jurijewskaja – Kinder des Zaren Alexander II. aus seiner morganatischen Ehe mit der Fürstin Jekaterina Dolgorukaja. Olga von Merenberg heiratete den Grafen Georg von Merenberg, der
der Ehe des Prinzen Nikolaus von Nassau mit der Tochter des russischen Dichters Puschkin, Natalja von Merenberg entstammte. Es waren während der ersten Jahrzehnte seines Bestehens v.
a. russische Staatsmänner und Adelige und ihre Familienangehörigen, Künstler und Gelehrte, darunter auch viele Deutsch-Balten, die hier beigesetzt wurden.
Als Nachhall der Oktoberrevolution in Russland finden wir viele Grabsteine russischer Emigranten und ihrer Nachfahren, daneben Gräber der kirchlichen
Würdenträger der russisch-orthodoxen Kirche im Ausland. Auch die Ereignisse des Zweiten Weltkriegs hinterließen ihre Spuren auf dem russisch-orthodoxen Friedhof in den Gräbern von
nach Deutschland deportierten Ostarbeiter/innen.
Marina Werschewskaja hat zu all dem schwer zugängliche literarische Quellen (Briefe, Tagebücher, Memoiren) und weiteres, in St. Petersburg vorliegendes
Archivmaterial ausgewertet.
Das in deutschen und russischen Archiven gefundene Material erlaubt es, die Geschichte dieser Nekropolis zu rekonstruieren, die Grabdenkmäler und die
Grabinschriften zu beschreiben, verloren gegangene Gräber zu rekonstruieren als auch Interessantes, Biografisches, und mitunter auch Anekdotisches über diejenigen zu erzählen, die
hier begraben sind.
Ein aktueller Lageplan des russisch-orthodoxen Friedhofs wurde mit Unterstützung von Prof. Nohlen am Fachbereich Architektur der Fachhochschule Wiesbaden nach
den Angaben Marina Werschewskajas von Ela Schnierer neu erstellt.
Das Buch ist mit zahlreichen Anmerkungen versehen, enthält ein Personenverzeichnis und ist reich illustriert mit meist farbigen und vielen bisher
unveröffentlichtem Bildern.